GVH mit Zugabe

Von | 12. Februar 2006

GVH mit Zugabe I.
Hannover – Minden und zurück

Haltestelle Nordstadt
blau verglast
Wolkengebirge
von Asiaten in den Himmel getuscht
nichts weiter als schauen
und dem Gezwitscher
der Gummidichtungen lauschen
Piktogramm
ein Männchen im Kreis
mit ausgebreiteten Armen
Vorsicht, Stop – oder
komm in meine Arme
links geht die Landschaft auf
weit
rechts graue Gewerbebauten
und Wohnblocks
ein schwarzhaariges Kind
im roten Pullover
lehnt auf der Fensterbank
Vater und Sohn sitzen am Bahnsteig
und zählen Schwellen
der junge Typ
mir gegenüber fragt,
was ich da schreibe
ich auch, sagt er
so mach ich das auch
fahren, endlos fahren und notieren
für meine Texte
Hiphop
is besser als fernsehn
findste nich
is doch immer derselbe scheiß
oder nich
was soll ich fernsehn
wenn ich schreiben kann
was soll ich Markenklamotten
kaufen für 100 Mark mehr das Teil
sind die bescheuert
sag mal echt
kauf ich mir lieber ne Fahrkarte für
und ab geht’s
stimmt doch, oder
und die Sonne kommt raus
in Haste
und ich frag mich
zurück oder weiter
aussteigen erstmal
Kollege
Sonne fressen
auf ‚ner Bank
hier is’n Mülleimer,
wo willstes denn sonst hinschmeißen
is ja sowieso alles dreckig
na und
mir doch egal
der Wind treibt
ein Bonbonpapier
in einem übersatten
fast grünlichen Gold
vorbei
irgendwie
riechts immer nach Pisse
an solchen Orten
Abfahrt Departure
Ziffern rattern runter
tobaccoland
„amen und Herren
bitte Vorsicht an Gleis 3
ein Zug fährt durch“
alle paar Minuten
schon der Name sagts
Haste
schnell durch hier und weg
haste was kannste
jedes Mal fehlt
ein Stückchen Ansage
„men und Herren…“
an der großen Glasscheibe
des Wartehäuschens
rüttelt der Wind
ein hohles tiefes Scheppern
Tags und Graffiti
„n und Herren…“
der Bahnsteig erbebt
Hüte fliegen
ein ICE
auf dem Weg
nach Süden
erschüttert
steh ich auf
und erwarte
den RE
nach Minden
Westfalen.

II.

RE nach Minden
Sitzplatz
kannste vergessen
abgestoßene Körper
müde
hängen aufeinander
umarmen
die Freundin
oder den Rucksack
Baumschule
Mama guck mal
Baumschule
was
lernen die Bäume
Mama
sie lernen
gerade zu wachsen
Kind
und ich träume
vom Traum eines Baumes
Tänzer zu sein
Kirschblütentänzer
an der Hauswand
gestapelte Bierkisten
rotblau
am Deister
gestrandete Wolken
wie Wale
alle sind tot
in den Dörfern
oder auf Arbeit
Hemdsärmel winken
leutselig
den Zug weiter
bis
Minden
Westfalen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert