Bouillabaisse 1.

Von | 1. Juni 2014

mai 039

Kann durchaus daran liegen, dass ich im Sternzeichen Fische geboren bin. Ich liebe Fische. Fische tot oder lebendig, Fische frisch zubereitet, gekocht, gebraten, gegrillt. Am liebsten aber mag ich sie doch im Aquarium.

Ich liebe ihre glatten, schimmernden Oberflächen, ihr stummes, zielloses Treiben im Wasser, ihre Ruhe, ihre königliche Unberührtheit. Ihre runden kalten Augen, die unerschrocken und still die Welt betrachten.
Früher saß ich stundenlang in meinem Lieblingscafé vor dem Aquarium und schaute ihnen zu. Die klumpigen Welse, die mit ihren knubbeligen Mündern an den Glaswänden lutschten, bewunderte ich besonders. Nichts, nichts kann sie erschüttern. Sie sind nur. Sie existieren, ohne Angst. Dachte ich.
Sie waren meine Helden, die Welse, und ich bemühte mich wirklich, es ihnen gleichzutun.

Bis zu dem Tag, als ein Haufen irrer Jungs in das Café stürzte und die übrig gebliebenen Sylvesterknaller auf das Aquarium abschoss. Das Glas zerriss, rutschte in sich zusammen, ließ das Wasser frei, ließ die Fische frei, die, urplötzlich aus ihrem Glaskokon geschmettert, auf dem fleckigen Teppichboden lagen und sich wälzten, wild mit den Flossen schlugen und sich sehr unwürdig gebärdeten. Wilde verschlungene, sich windende Fischleiber, die nur noch nach Leben japsten – meine Illusion von der Möglichkeit eines stoischen, furchtlosen Lebens zersprang auf dem Fußboden des Cafés. Was nicht zersprang, war meine Sehnsucht nach einem solchen Leben.

Und Herr D., genauer gesagt die Augen von Herrn D., erinnerten mich daran. Ja, und ich glaube, nur deshalb geschah es, dass ich begann, ihn genauer zu beobachten. Fast gegen meinen Willen passierte es. Und urplötzlich.

Es war im Supermarkt. Wir standen vor dem Regal mit den Dosensuppen und griffen beide nach einer Bouillabaisse, dieser köstlichen Fischsuppe aus Frankreich. Seine Hand streifte meine, kalt war sie, weich und quappig. Er fuhr herum, seine Augen hinter den dicken Gläsern einer 50er-Jahre-Kassenbrille richteten sich auf mich, seine wulstigen Lippen rundeten sich zu einem erstaunten „O“. „Wels!“ rief ich erschrocken aus. Mein Herz raste.

– Fortsetzung folgt –

 

 

4 Gedanken zu „Bouillabaisse 1.

  1. Quer

    Wunderbar geschrieben, dieser Anfang einer Geschichte!
    Ich bin schon sehr gespannt auf die Fortsetzung…
    Liebe Grüsse,
    Brigitte

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